Data Science, KI und Machine Learning - was bedeutet das in der Versicherung?Bericht über unsere Veranstaltung am 17. Mai
Die German Data Science Society (GDS) verfolgt die Thematik Data Science, inklusive KI und Machine Learning, und die damit möglichen Anwendungen im weitesten Sinne branchenübergreifend. Dies eröffnet vielfältige Synergien. Komplementär dazu befasst sich die GDS auch mit einzelnen Branchen, da hier eine vertiefte Betrachtung mit sehr praxisrelevanten Erkenntnissen möglich ist.
Die Veranstaltung war schon seit einiger Zeit geplant und sollte live durchgeführt werden. Infolge der Corona Situation mussten wir sie mehrmals verschieben. Da nach wie vor nicht klar ist, wann wieder live Veranstaltungen stattfinden können, entschieden wir uns nun für eine online Durchführung.
Data Science and AI in Insurance Dr. Christoph Goebel (MunichRe)
Herr Goebel (Munich Re) fasst zunächst, basierend auf den Ergebnissen verschiedener Studien, die Bedeutung der KI für die Wirtschaft insgesamt und insbesondere für die Versicherungsindustrie zusammen.
Nachfolgend werden mehrere KI-Bereiche, in denen die Munich Re aktiv ist, vorgestellt. Hierzu zählen Natural Language Processing, Bilderkennung und KI-Versicherung. Für jeden Bereich werden konkrete Projekte und die resultierenden digitalen Produkte für Erstversicherer vorgestellt.
Abschließend wird die Bedeutung der Entwicklung von Frameworks und Plattformen für die Industrialisierung von KI in der Versicherung unterstrichen.
Skalierbare Data Analytics Anwendungsfälle in der Allianz Dr. Benedikt Laudage-Schoppe (Allianz)
Die Allianz ist eine der führenden globalen Versicherungsgruppen. Für die Allianz Deutschland gibt Herr Laudage-Schoppe (Allianz) einen Überblick über umgesetzte und laufende Anwendungsfälle.
Dabei geht er insbesondere auf die praktischen Herausforderungen beim Implementieren und späteren Skalieren der Anwendungsfälle ein. Skalierung kann dabei sowohl in horizontaler Richtung verstanden werden, wo ein mit Data Analytics gelöstes Problem aus einem Allianz Markt in einen oder mehrere weitere Allianz Märkte transferiert wird. Skalierung kann aber auch in vertikaler Richtung verstanden werden, wo mithilfe von harmonisierten Daten mehr Probleme in kürzerer Zeit gelöst werden können.
Der ethische Algorithmus für Versicherte - Macht künstliche Intelligenz die Versicherer zu hochriskanten Unternehmen? Dr. Andreas Becks (SAS)
Herr Becks (SAS) beginnt mit der Feststellung, dass für KI (AI) sicher Regulierungen kommen werden und verweist auf die "High-Level Expert Group on Artificial Intelligence der EU: Ethic Guidelines for Trustworthy AI".
KI Anwendungen haben bereits in einer Reihe von Industrien ihre Nützlichkeit erwiesen - Gesundheitswesen, ..,Verwaltung.
Im weiteren konzentriert sich der Referent auf die Versicherungsbranche.
SAS unterstützt hierbei die wichtigsten Anwendungsbereiche der Digitalen Transformation: Kundenerfahrung, Intelligente Entscheidungen und Finanzmanagement. Um etwaigen Befürchtungen einer zu starken Überwachung zuvor zu kommen empfiehlt es sich s.E. Ethik aktiv als Wettbewerbsvorteil zu sehen und eine auf den Menschen bezogene KI anzustreben. Hierbei gilt es auch falsche Befürchtungen wie z.B. Killer-Roboter zu vermeiden und sich auf wirkliche Probleme zu konzentrieren wie verzerrte Inputdaten die beispielsweise auch die Ergebnisse verzerren und unbrauchbar machen können.
Eine konsequente Betrachtung der Ethik Richtlinien führt zu verschiedenen Einzelthemen: Privatsphäre, Vertrauen, Verantwortung/Verantwortlichkeit, Fairness und Transparenz. Beispiel: Die Ethikrichtlinien der EU für vertrauenswürdige KI.
Beim Machine Learning geht es darum die Ergebnisse für verschiedene Zielgruppen wie z.B. Data Scientist, Endnutzer und Regulatoren verständlich zu machen. Dabei geht es insbesondere auch um das Spannungsfeld zwischen Genauigkeit und Verständlichkeit . In diesem Bereich spielen sog. Proxy Methoden eine wichtige Rolle: Sie nutzen komplexe Machine Learning Modelle als eine Benchmark für leichter verständliche einfachere Modelle. Die Thematik wird anhand verschiedener Beispiele aus der Medizin beleuchtet - Bildverarbeitung, Krebsscreening, Erklärung radiologischer Befunde.
Der Vortrag endet mit vier zentralen Thesen für eine erfolgreiche KI: Fairness, Transparenz, Vertrauen und Erklärbarkeit.
Als Ausblick verweist Herr Becks auf eine Ausarbeitung von SAS zur Thematik "ARTIFICIAL INTELLIGENCE & ETHICS und auf Bücher von Daniel Kahneman, Rolf Dobelli, Julian Nida-Rümelin/Nathalie Weidenfeld und Thomas M. Siebel.
Machine Learning in der Lebensversicherung - Verfahren und Anwendungen Dr. Stefan Nörtemann (msg life)
Herr Nörtemann (msg life) stellt einleitend fest, dass wir seit vielen Jahren einen erneuten KI-Sommer und eine große Euphorie im Themenfeld Data Science und Machine Learning erleben, die auch die Versicherungsbranche erfasst hat.
Unterschiedliche Projekte wurden gestartet. Einiges wurde erfolgreich abgeschlossen, einiges hat sich fest etabliert, einiges ist versandet und vieles ist noch im Fluss.
In dem Vortrag möchten wir kurz innehalten in unserem Tun und uns fragen: Wo stehen wir heute eigentlich? Ist unsere Euphorie (noch) gerechtfertigt? Und: Warum sind wir eigentlich noch nicht weiter?
Mit Blick auf die Lebensversicherung wird eine Bestandsaufnahme versucht, wo wir aktuell stehen. Dazu wird ein exemplarischer Überblick gegeben über die Verfahren und Anwendungen, die aktuell in der Lebensversicherung en vogue sind.
Machine Learning in der Migration von Lebensversicherungen - Überblick und aktuelle konkrete Anwendungsbeispiele Axel Helmert (msg life)
Herr Helmert (msg life) beginnt seine Ausführungen mit der Feststellung, dass der demografische Wandel, die ökonomischen Rahmenbedingungen der Niedrigzinsphase und überalterte, ineffiziente IT-Landschaften die europäische Lebensversicherungsbranche vor große Herausforderungen stellen.
Eine wichtige Voraussetzung, sich im harten globalen Wettbewerb durchzusetzen, ist eine umfassende Digitalisierung. Der notwendige erste Schritt, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Ablöse der veralteten Kernsysteme und die Schaffung konsolidierter moderner IT-Landschaften.
Der Transfer des Wissens der alten Systeme in die Zielsysteme kann mit Hilfe von KI unterstützt und automatisiert werden. Er wird damit spürbar effizienter, beansprucht weniger knappe humane Ressourcen und die Komplexität des Zielsystems wird reduziert. Die Qualität wird mindestens erhalten (oder wird besser).
Im Vortrag wird konkret gezeigt welchen Beitrag ML beim Lernen aktuarieller Funktionen leisten kann. Über eine Pipeline wird die maschinelle Übertragung in das Zielsystem, über eine API die Anbindung und mit Hilfe von MLOPS der operative industrielle Einsatz der gelernten Modelle abgesichert.
Ziel ist ein automatisierter Dreiklang: Learn → Deploy → Run.
Reifegradentwicklung von ML Use Cases in der Versicherungsbranche: MLOps Andreas Hübner und Ludwig Brummer (Alexander Thamm GmbH)
Herr Hübner und Herr Brummer (Alexander Thamm) berichten, dass ihr Unternehmen in den letzten Jahren in verschiedensten Versicherungsunternehmen einen eindeutigen Trend erlebt hat: Die Anforderungen an den Reifegrad von Machine Learning (ML) Use Cases sind deutlich über den Status eines Proof-of-Concepts (PoCs) hinausgewachsen wie noch vor 5 Jahren.
Die Versicherungsunternehmen stehen aktuell vor der Herausforderung entwickelte Modelle und PoCs in die bestehende Infrastruktur und Systemlandschaft zu integrieren und zu betreiben. Hierbei sind einige Rahmenbedingungen zu setzen, um einen nachhaltigen Betrieb der Modelle zu gewährleisten.
Von verschiedenen Tools ( Exploration, Testen, Monitoring ...) über dedizierte Verantwortlichkeiten und Rollen bis hin zu einem definierten Prozessablauf – all dies stellt die Grundlage für eine erfolgreiche Produktivsetzung von ML-Produkten dar.
Auch die Modelle selbst müssen verschiedene Anforderungen erfüllen.
Dazu gehören neben der Zuverlässigkeit und Nachvollziehbarkeit natürlich weitere Funktionalitäten wie Anpassungsfähigkeit, Reproduzierbarkeit und die Abstimmung mit weiteren Modellen.
Wieso aber ist die Reifegradentwicklung von ML Use Cases in der Versicherungsbranche anders als in den sonstigen Industrien? Welche Vorteile bzw. Nachteile haben Versicherungen?
Assekuranzunternehmen arbeiten schon seit Beginn ihrer Gründung aufgrund ihres „natürlichen“ Geschäftsmodells mit Daten und statistischen Konzepten und konnten somit wichtige Erfahrungswerte im Umgang mit Daten sammeln. Dem gegenüber stehen jedoch Herausforderungen wie ein stark regulierter Markt und die Legacy IT.
Umso wichtiger ist es, MLOps-Prozesse von Beginn an zu berücksichtigen und den Produktlebenszyklus eines Daten- bzw. KI-Produktes Ende-zu-Ende zu betrachten. Trotzdem bewegt sich die Versicherungsbranche bereits in die richtige Richtung und hat die Notwendigkeit von MLOps-Prozessen erkannt.
Doch wann diese Prozesse im Unternehmen vollständig etabliert sind, bleibt abzuwarten. Eins ist jedoch sicher: Um im stark umkämpften Markt der Versicherungen und insbesondere im ML- und KI-Bereich konkurrenzfähig zu bleiben, führt kein Weg an MLOps vorbei.