
Data Science Forum Rhein-Main 2025Bericht über die Veranstaltung vom 15. Mai 2025

Am 15.05.2025 fand das zweite Jahres-Event der GDS Regionalgruppe Rhein-Main im Darmstadtium in Darmstadt statt. Es gab viele spannende Beiträge aus der Region und einen regen Austausch während der Vorträge und Pausen. Wie auch letztes Jahr war die Podiumsdiskussion ein kleines Highlight, die wieder zum Nachdenken gestoßen hat.
Quantum Machine Learning – what (not) to expect Dr. Marco Roth Fraunhofer IPA (Stuttgart)

Dr. Marco Roth präsentierte beim Data Science Forum 2025 einen realistischen Überblick über den Stand und die Perspektiven von Quantum Machine Learning (QML). Quantencomputer bieten theoretisch enorme Vorteile durch Parallelverarbeitung und neuartige Algorithmen, befinden sich aber noch im frühen, fehleranfälligen Entwicklungsstadium (NISQ). Aktuelle QML-Ansätze wie hybride Quanten-Kernelmethoden zeigen Potenzial, jedoch ohne bisher nachgewiesenen praktischen Vorteil gegenüber klassischen Verfahren. Mit Tools wie sQUlearn und AutoQML wird der Zugang erleichtert, dennoch bleibt der Durchbruch langfristig – realistisch innerhalb der nächsten 10–20 Jahre.
Markowitz neu gedacht: Mit Johnson-Omega, Schiefe und Kurtosis zur Portfolio-Optimierung für den Krisenfall Dr. Alexander Passow JP Omega Ltd., TU Darmstadt

Dr. Alexander Passow präsentierte mit „Markowitz neu gedacht“ eine spannende Weiterentwicklung klassischer Portfoliooptimierung. Besonders eindrucksvoll war die kritische Auseinandersetzung mit der Normalverteilungsannahme, die in der Praxis zu massiver Unterschätzung von Extremrisiken führt. Statt sich wie viele Modelle rein auf Volatilität und Korrelation zu verlassen, setzt der vorgestellte Johnson-Omega-Ansatz auf realistischere Verteilungen, die Schiefe und „Fat Tails“ explizit berücksichtigen. Am Beispiel der Lehman-Pleite 2008 wurde gezeigt, dass sich Risiken damit ex-ante besser abbilden und Portfolios robuster gestalten lassen. Ein fachlich fundierter und gleichzeitig praxisnaher Impuls, der traditionelle Finanzmodelle überzeugend hinterfragt.
Die Fusion von Regelwissen und Sprachmodellen: Hybride Intelligenz im Praxiseinsatz Dr. Eric Rietzke DFKI (Trier), LiveReader GmbH

Im Vortrag von Dr. Eric Rietzke vom DFKI ging es um die sinnvolle Kombination von regelbasierter und sprachmodellbasierter KI – sogenannte Hybride Intelligenz. Besonders spannend war die praxisnahe Darstellung, wie sich die Stärken beider Ansätze, also die Verlässlichkeit symbolischer KI und die Flexibilität großer Sprachmodelle, ergänzen können. Anhand des Voicebots NOVA wurde deutlich, wie solche hybriden Systeme bereits heute komplexe Aufgaben übernehmen, dabei aber immer noch eine menschliche Kontrollinstanz mitdenkt. Dr. Rietzke plädierte überzeugend dafür, gerade bei sensiblen Anwendungen nicht auf reine KI-Lösungen zu setzen, sondern Mensch und Maschine gezielt zusammenzubringen.
Grußwort des GDS-Vorstandes Prof. Dr. Göran Kauermann Institut für Statistik, LMU (München)

Im Vortrag von Prof. Göran Kauermann (LMU München & GDS) ging es um aktuelle Herausforderungen in der Data Science aus persönlicher Sicht. Besonders eindrücklich war seine Einschätzung, dass der anfängliche Hype vorbei sei und nun eine kritische Reflexion über Inhalte und Ausrichtung anstehe und vor allem im Spannungsfeld zwischen generativer KI und datengetriebenem Arbeiten. Prof. Dr. Kauermann plädierte dafür, Data Science stärker als „data-centric“ zu verstehen: Der Fokus müsse wieder auf Datenqualität, Unsicherheit und Kontextwissen gelegt werden – auch als Gegengewicht zur derzeit dominierenden generativen KI. Interessant war auch seine Kritik an der uneinheitlichen Ausbildungssituation in Deutschland, verbunden mit dem Appell zu mehr Standardisierung und Qualität in der Lehre.
Bedeutung von KI in der Finanzindustrie und Insights am Beispiel WM Gruppe Dr. Duc Au WM Gruppe (Frankfurt)

Dr. Duc Au gab in seinem Vortrag spannende Einblicke in den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Finanzindustrie – konkret am Beispiel der WM Gruppe. Besonders eindrücklich war die Darstellung, wie vielfältig KI bereits heute in der Branche genutzt wird, etwa in Form interner Chatbots oder zur Automatisierung von Datenverarbeitung. Dabei zeigte er, dass nicht nur Großbanken, sondern auch mittelständische Finanzakteure zunehmend auf generative KI setzen – immer begleitet von Sicherheits- und Governance-Fragen. Er betonte aber auch: Der Weg zur erfolgreichen KI-Integration ist ein langfristiger Prozess, der Strategie, Datenqualität und kulturellen Wandel erfordert – ein echter „Marathon und kein Sprint“.
Panel Diskussion Prof. Dr. Göran Kauermann, Dr. Duc Au, Dr. Eric Rietzke

Die Paneldiskussion unter dem Titel „Vom König zum Datenknecht? Zum Verhältnis von Data Science und KI“ war ein spannender und kontroverser Austausch zwischen Dr. Duc Au, Prof. Dr. Göran Kauermann und Dr. Eric Rietzke. Als Teilnehmerin bzw. Teilnehmer nahm man mit, wie unterschiedlich die Perspektiven auf die Rolle von Data Science im Zeitalter der generativen KI sein können: Während Prof. Dr. Kauermann die Sorge äußerte, dass die ursprüngliche datenorientierte Wertschöpfung durch den KI-Hype verdrängt werde, plädierte Dr. Rietzke für ein „Back to the roots“ – Data Science als eigenständige Disziplin jenseits von reiner Modelloptimierung. Besonders einprägsam war Dr. Aus Vergleich: Data Science sei wie ein Schraubenschlüssel – unverzichtbar für das Verständnis und die Handhabung der „Blackbox“ KI. Insgesamt eine lebendige Diskussion mit dem klaren Appell, die Rolle von Data Scientists nicht als nachrangige Dienstleister, sondern als gestaltende Mitdenker in der KI-Entwicklung zu begreifen.
Unter der Spitze des Klimadaten-Eisbergs: Das Potenzial unstrukturierter Daten Prof. Gabriela Alves Werb, Ph.D. Hochschule Frankfurt, Deutsche Bundesbank (Frankfurt)

Im Vortrag von Prof. Gabriela Alves Werb wurde eindrucksvoll deutlich, wie viel ungenutztes Potenzial in unstrukturierten Klimadaten steckt und wie essenziell deren bessere Erschließung für die Finanzwelt ist. Man hat mitgenommen, dass klassische Klimarisikodaten oft unvollständig, schwer vergleichbar oder schlicht nicht öffentlich zugänglich sind. Prof. Werb zeigte, wie neue Ansätze wie Satellitenbildern, digitalen Zwillingen und multimodalem Deep Learning dazu beitragen können, physische Risiken auf granularer Ebene messbar zu machen. Besonders spannend waren die praktischen Projektbeispiele, die u.a. die Validierung von Unternehmensstandorten oder die Erhöhung der Nutzbarkeit von Nachhaltigkeitsberichten verfolgten. Ihr Appell war klar: Wer Klimarisiken ernsthaft verstehen und steuern will, muss tiefer unter die Datenoberfläche schauen und dabei neue Technologien gezielt einsetzen.
Unter Strom? Workload Analyse für Operateure in Netzleitstellen Torsten Gfesser & Stephanie Hochgeschurz Fraunhofer FKIE (Bonn)

Ein hochaktueller Beitrag kam von Fraunhofer FKIE, wo Torsten Gfesser und Stephanie Hochgeschurz aufzeigten, wie sich mentale Belastung von Operateuren in Netzleitstellen objektiv erfassen lässt – ein Thema mit enormer sicherheitskritischer Relevanz. Klassische subjektive Methoden stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Der vorgestellte Ansatz kombiniert physiologische Messdaten (u. a. Pupillendaten, Herzfrequenz, Atmung, Bewegung) mit maschinellem Lernen, um kognitive Überforderung frühzeitig zu erkennen. Besonders beeindruckend war die methodische Tiefe: Von der Datenerfassung über aufwendiges Feature Engineering bis hin zur Modelloptimierung. Die besten Vorhersagen lieferte ein Modell mit Pupillendaten – mit über 87 % F1-Score. Eine praxisnahe, datenbasierte Lösung für ein reales Problem im Energiesektor – und ein starker Impuls, wie Human Factors und KI sinnvoll zusammenwirken können.